Herr Ministerpräsident, was haben Sie für eine Heizung im Keller?

Stephan Weil: „Eine Gasheizung, ungefähr 15 Jahre alt.“

Haben Sie sich schon damit beschäftigt, wann Sie eine neue Wärmepumpe einbauen müssen?

Weil: „Nein, ein paar Jahre wird die wohl noch halten. Und selbst wenn nicht: Als Ministerpräsident verdiene ich so gut, dass ich das stemmen kann. Das gilt aber für viele Leute nicht.“

Sie können also verstehen, dass Hausbesitzer und Mieter Angst bekommen?

Weil: „Natürlich. Denn es bleibt doch nicht bei der Wärmepumpe, wenn man es richtig machen will. Dazu kommen Dämmung der Fassade, Solaranlage auf dem Dach, neue Fenster. Auf dem Land haben die meisten zwar ihr eigenes Haus, aber mitnichten viel Geld. Viele können das nicht einfach so finanzieren.“

Klimaminister Robert Habeck will den Einbau von Gas- und Ölheizungen ab nächstem Jahr verbieten. Wo muss er seinen Gesetzentwurf nachbessern?

Weil: „Heizen macht ein Drittel unseres CO2-Ausstoßes aus. Wenn wir das mit dem Klimaschutz hinkriegen wollen, müssen wir da ran. Es ist also richtig, dass Habeck dieses Problem anpackt. Aber das Vorgehen ist das Problem.

Seine Zeitplanung ist nicht realistisch und stiftet am Ende mehr Schaden als Nutzen. Leute bestellen jetzt panisch neue Gas- und Ölheizungen. Und viele Probleme sind nicht geklärt: Gibt es genug Installateure? Was ist mit den Menschen, die sich keine Wärmepumpe leisten können?“

Ihr Rat?

Weil: „Dass sich der Minister dringend mit der Bau- und Wohnungswirtschaft, den Heizungsmonteuren und der Energiewirtschaft zusammensetzt und prüft: Bis wann schaffen wir welches Ziel? Es ist ganz klar: Wir brauchen beim Umbau des Wärmesystems längere und damit realistischere Übergangsfristen. Ein Einbauverbot ab 2024 ist nicht realistisch.“

Was völlig unklar ist: Wer muss die klimafreundliche Heizung selbst zahlen? Wer bekommt Hilfe vom Staat?

Weil: „Wir sollten nicht den Kauf jeder Wärmepumpe mit einem Festbetrag fördern, sondern die staatliche Hilfe je nach Einkommenshöhe staffeln. Mit meinem Gehalt brauche ich gar keine staatliche Förderung, aber eine Erzieherin kann das nur stemmen, wenn der Staat einen Großteil übernimmt.

Die Sanierungspflicht darf nicht dazu führen, dass Menschen mit geringem Vermögen und Einkommen darüber ihr Haus verlieren. Das muss definitiv ausgeschlossen werden.“

Strom ist teurer geworden. Wird er jemals wieder billiger?

Weil: „Ja. Wenn wir unser System auf erneuerbare Energien umgestellt haben, wird der Strom weniger kosten als heute.“

Und wann ist das so weit?

Weil: „In etwa 15 Jahren, vielleicht auch schneller. Wenn wir den riesigen Umbau unserer Energieversorgung geschafft haben, dann haben wir ein hoch wirtschaftliches System – für die Bürgerinnen und Bürger und für die Wirtschaft.“

Die Industrie hat wegen der horrenden Energiepreise ihre Produktion runtergefahren. Ist Deutschlands wirtschaftliche Zukunft in Gefahr?

Weil: „Ich neige nicht zur Aufgeregtheit, aber über unsere wirtschaftliche Zukunft mache ich mir wirklich Sorgen. Problem eins: Deutschland hat sehr viel energieintensive Industrie: Chemie, Glas, Stahl, Beton. Die stellen gerade fest: Die Energiepreise sind so hoch, dass die Firmen nicht wettbewerbsfähig produzieren können.

Problem zwei: Die hohen Energiekosten gefährden die Ansiedlung von Zukunftstechnologien wie der Batteriezellproduktion. 80 Prozent der Projekte sind gefährdet. Da geht es um Milliarden-Investitionen, die uns verloren gehen können. Wir müssen uns um diese Gefahr massiv kümmern.“

Was heißt das?

Weil: „Bis wir eine günstige Energieversorgung aus Erneuerbaren haben, muss der Staat den Unternehmen helfen. Wer in Deutschland investiert, dem müssen wir einen niedrigen Industriestrompreis garantieren.“

Sie sind also dafür, dass Deutschland einem Konzern wie Tesla mit Mega-Gewinnen Milliarden Steuergeld in den Rachen wirft, nur damit die hier bauen?

Weil: „Ich würde das anders formulieren: Ich will Steuern und Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Die Alternative wäre: keine Ansiedlung von Unternehmen, keine Jobs, kein Cent Steuereinnahmen. China und Amerika reiben sich die Hände, wenn die Firmen dorthin gehen.“

Der Strompreis ist das eine Problem, die erzeugte Menge das andere. Wie viele Windkraftanlagen sind 2022 in Niedersachsen aufgestellt worden?

Weil: „Peinlich wenig, es waren nicht mal 100. Trotzdem lagen wir damit nach Schleswig-Holstein auf Platz 2 aller Bundesländer.“

Bis wann erreicht Deutschland das Ziel von Bundeskanzler Scholz, jeden Tag fünf neue Windräder aufzustellen?

Weil: „Das halte ich ab dem Jahr 2025 für möglich. Niedersachsen verpflichtet jede Kommune, Flächen für Windkraftanlagen auszuweisen. Dann gehen Planung und Genehmigung schnell. Um das nationale Windkraftziel zu erreichen, müssen sich die südlichen Bundesländer aber auch stärker anstrengen.“

Quelle: https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/habecks-zeitplanung-stiftet-mehr-schaden-als-nutzen-83250516.bild.html