Wir fangen heute einmal ganz locker mit einem Quiz an. Damit kann jeder testen, ob er bei diesem Thema auf Ballhöhe ist oder Wissenslücken bestehen. Erfahrungsgemäß klappt kein Gesang, wenn jeder von einem anderen Notenblatt singt. Die richtigen Antworten finden Sie am Schluss des Artikels.

1. Der NATO-Generalsekretär sagte, der Beginn des Ukrainekrieges war

b) 2014
c) 2022

2. Welches Land hat die meisten Ukraineflüchtlinge aufgenommen?

a) Polen
b) Deutschland
c) Russland

3. Von der polnischen Grenze bis nach Bachmut ist es so weit wie…

a) von Hamburg nach München
b) von Hamburg nach Venedig
c) von Hamburg nach Neapel

4. Von wem stammt das Zitat „Fuck the EU“ aus dem Februar 2014?

a) von der heutigen US-Staatssekretärin Victoria Nuland
b) von dem späteren Präsidenten Petro Poroschenko
c) von dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko

5. War Julia Timoschenko…

a) eine frühere, zweimalige Ministerpräsidentin der Ukraine
b) eine in der Präsidentschaftswahl 2019 gegen Selenskyj und Poroschenko unterlegene Kandidatin
c) diejenige, die gesagt hat: “Ich bin bereit dem Bastard (gemeint war Putin) in den Kopf zu schießen

6. Das Minsker Abkommen von 2014 war kein ernsthafter Versuch, zu einem Frieden in der Ostukraine zu kommen; die ehemalige Bundeskanzlerin Merkel selbst hat dies in einem “Zeit”-Interview im Dezember 2022 wie folgt kommentiert: “Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.” Ist dieses Zitat Merkels in der “Zeit”…

a) richtig
b) falsch

Soweit das Eingangsquiz. Der Punkt dabei ist: Es sind schon einige elementare Kenntnisse über die politischen Zustände in der Ukraine notwendig, um über sie urteilen zu können. Da ich persönlich über keinen Geheimdienst verfüge, bin ich ebenfalls auf Quellen von anderen angewiesen. Ich habe selbst eingestehen müssen, dass ich die Strategie Russlands anfänglich auch nicht richtig eingeschätzt habe. Zu sehr bin ich dem Mainstream auf den Leim gegangen. Mir ist kein deutscher Journalist bekannt, dessen Analysen über den Ukrainekonflikt lesenswert wären. Statt einem Peter Scholl-Latour, der noch selbst recherchierte, haben wir heute einen Paul Ronzheimer von “Bild”, der mehr als lächerlich mit schusssicherer Weste und Stahlhelm durch seine Videoclips hampelt und erzählt, wie furchtbar alles ist. Und statt objektiver Analysten und Militärexperten haben wir hier die NATO-Propagandisten, die das Narrativ des “von Russland (oder Putin) begonnenen Angriffskriegs gegen die Ukraine” in unseren Medien bestimmen.

Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges“, heißt es. Nicht umsonst beschäftigt das Pentagon zigtausende Spin Doctors in achtzehn (!) verschiedenen Geheimdiensten. Diese wollen alle beschäftigt werden – und da kommen dann eben auch mal solche Räuberpistolen heraus, dass fünf Leute, die zufällig auch mal wieder ihre Pässe haben liegen lassen, einfach so, en passant, eine Gaspipeline in die Luft jagen.

Welcher Quelle kann man trauen?

Welcher Quelle kann man noch trauen? Grundsätzlich keiner. Populär ist ja Thorsten Heinrich, dessen langatmige Berichten zu Militär und Geschichte ungefähr so spannend sind wie das Verlesen eines Telefonbuches. Obwohl er aus seiner parteiischen Haltung zur Ukraine keinen Hehl macht, bemüht er sich, einen objektiven Eindruck zu erwecken. Ich habe allerdings den Eindruck, dass er allzu waffentechnisch orientiert ist. Da bevorzuge ich eher amerikanische Analysten, die nicht Genderwissenschaften studiert haben, sondern wissen, wie ein Panzer von innen aussieht, und für die strategisches Denken keine NATO-Blaupause ist. Dazu gehören der ehemalige Oberst Douglas Macgregor, Oberst Lawrence Wilkerson, Scott Ritter, der Ex-MI6-Agent Alastair Crooke oder der Serbe Aleks von Black Mountain Analysis. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie auf eine beachtliche Karriere zurückblicken können – und dass der Mainstream Gift und Galle gegen sie spuckt, weil sie so denken, wie sie eben denken und nicht, wie sie denken sollen.

Als Donald Trump im Jahr 2020 Douglas Macgregor als Botschafter nach Deutschland schicken wollte (dieser spricht übrigens ausgezeichnet Deutsch), eröffnete die “Washington Post” den Shitstorm mit einem Kommentar “Trump chooses for ambassador to Germany a racist Fox commentator who is pro-Putin and anti-Merkel”. Von wegen „Amerika, Du hast es besser“, wie einst Goethe formulierte, als an diese woke Demokratenclique noch lange nicht zu denken war!

Wette und Gegenwette

Putins Niederlage im Oktober” prognostiziert der Militärökonom und Künstler Marcus Keupp von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, der gerade innerhalb des Mainstreams wie eine Monstranz herumgereicht wird. Er zeichnet ein desaströses Bild der russischen Armee. Die Ukraine stellt laut Keupp von alter sowjetischer auf neue westliche Technologie um: “Sobald die ukrainische Frühjahrsoffensive losgehen wird – ich rechne mit Mitte April – wird man diesen Technologieeffekt dann deutlich sehen.” Das ist eine klare Position und da Prognosen schwierig sind, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen, wage ich ebenfalls eine: Ich wette dagegen. Ich kann mir das leisten, denn ich muss gegebenenfalls mein Scheitern nicht vor meinen Studenten verantworten, sondern nur vor meinen Freunden und Bekannten, und die schauen mich seit Corona sowieso nur noch schräg an. Das kann ich verkraften.

Nun aber zur Begründung meiner Gegenwette: Der ukrainischen Armee gehen die Soldaten aus. Ob der Westen Lust hat, auch weiterhin diesen Staat zu pampern, wage ich zu bezweifeln. Die Völker Europas haben es langsam satt, das eigene bisschen Wohlstand dafür zu opfern. Sogar Macron hat sich nach seinem Besuch in Peking kritisch zum Kadavergehorsam gegenüber den USA geäußert. “Rentenalter hochsetzen!” und “Mehr Waffen für die Ukraine!” sind keine Slogans, mit denen Wahlen zu gewinnen sind. Ein Panzerfahrer lernt schnell, wie man andere Panzer fährt. Auch ein LKW-Fahrer, der nur Mercedes gefahren ist, kann in kürzester Zeit einen russischen Ural 4320 fahren. Das Problem ist eher die Instandhaltung und Reparatur des Materials. Für einen Abrams gibt es schlicht und einfach keine Werkstätten innerhalb der Ukraine. Die nächste Werkstatt ist in Polen und liegt (deshalb die Frage oben) über 1.300 Kilometer von der Front entfernt. Wie kommen die dahin? Per Eisenbahn? Per Sattelschlepper? Wer stellt die Mechaniker? Und die kämpfende Truppe braucht nicht nur Waffen und Munition, sondern auch Unterhosen, Strümpfe und etwas zwischen die Zähne.

Eindrucksvolle Bandbreite der Abstrusitäten

Wie stellen sich unsere Regierungsvertreter eigentlich das weitere Spiel vor? Was sind denn die Kriegsziele der Bundesregierung? Glaubt dort allen Ernstes jemand, dass Herr Putin sich zurückzieht? Glaubt dort allen Ernstes jemand, dass dieser Konflikt ewig so weiter geht und dann im fade away endet? Dass die abtrünnigen Gebiete um Luhansk und Donez wie auch die Krim an die Ukraine zurückgehen, und alles wird gut? Dass sich die Schwarzmeerflotte der Russen feierlich vor Sewastopol selbstversenkt, so wie einst die kaiserliche Flotte 1919 in Scapa Flow? Ich schließe nicht einmal aus, dass manche sich das so vorstellen. Man muss nur die Stellungnahmen eines Norbert Röttgen lesen, um die eindrucksvolle Bandbreite der Abstrusitäten zu ermessen.

Der Westen hat 2014 den Maidan-Putsch befeuert. Der gesamte Politzirkus der EU und die „Kanalratten“ der USA, Victoria Nuland, Geoffrey Pyatt und die Hardliner John McCain und Lindsay Graham, haben die dortige Bevölkerung aktiv gegen die Russen aufgewiegelt. Sogar Westerwelle ließ es sich nicht nehmen, dort in den letzten Tagen seiner Amtszeit noch aufzuschlagen. „Westerwelle und der ‘Geschmack des Unseriösen’” titelte das “Handelsblatt” am 5. Dezember 2013. Sein Nachfolger Frank-Walter Steinmeier war an der „Vereinbarung über die Beilegung der Krise in der Ukraine“ am 21. Februar 2014 beteiligt, die noch keinen einzigen Tag hielt. Bei Wikipedia liest sich das so: „Bereits am 22. Februar, d. h. am Folgetag des Abkommens, brach Janukowytsch einseitig das Abkommen, indem er nicht dessen Umsetzung unterstützte und stattdessen aus Kiew floh.“ Was nicht in Wikipedia steht, ist, dass man andernfalls umgebracht hätte. So wird Geschichte von den Siegern geschrieben. Man wollte schlicht nicht den regulären Wahltermin in 2015 abwarten. Von den Gestalten, die dann an die Macht kamen, hört man heute nichts mehr. Sie alle haben sich nur die Taschen gefüllt. Und mit dem Ergebnis dieser strategischen Katastrophe leben wir jetzt im zehnten Jahr.

Die Illusion eines ukrainischen Sieges

Die Amerikaner werden demnächst andere Sorgen haben, als sich im Donbas ihre verleasten Panzer kaputtschießen zu lassen. Europa ist uninteressant geworden. Die Handelswege nach Russland sind zerstört, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie befindet sich im Tiefflug und Frau Nulands Feststellung ist wahr geworden: Die EU ist abgefuckt. Die Unternehmenschefs halten die Schnauze – und suchen sich neue Standorte. So ähnlich, wie Amerika von heute auf morgen aus Afghanistan, Irak, Vietnam und vielen anderen einstigen Kriegsgebieten abgezogen ist, wird es auch bei seinem Ukraine-Engagement kommen. Man kann es dann allenfalls noch als freundliche Geste verbuchen, wenn sie die Europäer wenigstens einen Tag zuvor über ihren Rückzug informieren. Die nächsten Vorstellungen laufen im Pacific Theater (übrigens: „Theater“ ist die wirklich zutreffende amerikanische Übersetzung von „Kriegsschauplatz“). Wenn die US-amerikanische RAND Corporation schreibt, dass „die Vermeidung eines langen Krieges für die USA eine höhere Priorität haben muss als die territoriale Integrität der Ukraine“, dann ist das keine Lappalie!

Die Gegenthese – was allerdings kein Widerspruch sein muss – sind die Leaks, die beweisen, dass unsere westlichen Siegermächte vereint die strategische Führung der ukrainischen Armee übernommen haben. Gekämpft wird bis zum letzten Ukrainer. Die Strategen und Drohnenbomberpiloten sitzen im warmen Polen oder Kiew und kennen das fließende Blut nur von den Bildschirmen. Zuvor haben sie in Afghanistan ihre Computerspielchen gemacht, und machen sie morgen vielleicht schon in Taiwan. Der militärisch-industrielle Komplex verträgt keine Pausen. Ziele sind zweitrangig. Verdient wird an der Zerstörung und nicht am Frieden. So wartet jetzt die Welt auf die ukrainische Großoffensive, die entweder gegen die Krim oder gegen das Asowsche Meer (Mariupol) gerichtet sein wird. Meine Einschätzung ist, dass diesem Unterfangen kein Erfolg beschieden sein wird.

Ein totes Pferd geritten

Dann verliert die „Koalition der Willigen“ die Lust – denn eine Weisheit haben die Gringos von den ausgerotteten Dakota-Indianer gelernt: „Wenn Du merkst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!”. Das bedeutet zwangsläufig, dass die Ukraine als Staat nur eine kurze Geschichte haben wird. Nutznießer sind Russland und Polen. Odessa geht (kampflos) an Russland, die Westukraine nach Polen. Falls es doch noch eine Restukraine geben sollte, dann wird das ein Ganoven- und Mafiastaat, ganz ähnlich wie das Kosovo.
Sollte es doch anders kommen – was heuristisch nicht ausgeschlossen werden kann -, dann ist Schluss mit lustig, und die polittouristischen Ausflüge unserer Politschranzen nach Kiew wird es nicht mehr geben.

Dann folgt das, was keiner will, aber durch die Unterlassung von Denkprozessen mitzuverantworten hat: Die Zerstörung nicht nur der Ukraine. Um Wolodymyr Selenskyj braucht sich übrigens keiner Sorgen zu machen: Wie man munkelt, hat er ausgesorgt und verfügt weltweit über mehrere nette Anwesen. Herr Keupp, die Wette gilt!

 

Und hier noch die Auflösung der Quizfragen:
1) b 2) c 3) b 4) a 5) alles richtig 6) a

Quelle: https://ansage.org/das-ende-des-ukrainekrieges/