Bekanntlich konnten bei den lange mit hoher Spannung erwarteten Wahlen in der Türkei am Sonntag weder Recep Tayyip Erdogan noch sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu eine klare Mehrheit erreichen. Deshalb findet nun am 28. Mai eine Stichwahl zwischen beiden statt. Die Ergebnisse haben in Deutschland Reaktionen auf höchster politischer Ebene hervorgerufen – bezeichnenderweise teilweise mehr als sogar Wahlen im eigenen Land. Die zeitgleich stattfindende Bürgerschaftswahl in Bremen etwa fand nur untergeordnetes Interesse gegenüber der Wahl im 3.000 Kilometer südöstlichen Ausland. Angesichts der Tatsache, dass hierzulande inzwischen ungeheuerliche 1,5 Millionen Türken wahlberechtigt in ihrer Heimat respektive dem Land ihrer Vorfahren sind – eine fast dreimal so hohe Zahl, wie Bremen überhaupt Einwohner hat -, verwundert diese Prioritätensetzung allerdings wenig.

Und es ist auch nicht erstaunlich, dass sich höchste Regierungskreise – insbesondere, wenn sie mit türkischstämmigen Politikern besetzt sind – zuweilen mehr um die Befindlichkeiten der Türken hier und in der Türkei sorgen als um die des Landes, in dem sie eigentlich Dienst tun und gewöhnt sind. So ließ etwa Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir verlauten, dass er sich um die “Frauen- und Minderheitenrechte in der Türkei” sorge, aus der seine Eltern 1960 nach Deutschland ausgewandert waren. Selbst wenn Kilicdaroglu die Stichwahl gewinnen sollte, so Özdemir, werde er „ein zutiefst gespaltenes Land vorfinden“, prophezeite er. Die gleichzeitig stattfindende Parlamentswahl habe die Nationalversammlung so konservativ gemacht wie noch nie, klagte er weiter. Dies sei „für Frauenrechte, für LGBT-Rechte, für Menschenrechte, Minderheitenrechte sicherlich keine gute Nachricht“.

Özdemir als Türkei-Versteher

Und dass der drittplatzierte nationalistische Präsidentschaftskandidat Sinan Ogan nun der Königsmacher sei, zeige, „wie sehr die Türkei nach rechts gerückt“ sei, so der berufene “Türkei-Experte” in der Ampelregierung. Bemerkenswerterweise gestand er immerhin zu, dass es Versäumnisse in der Integrationspolitik gegeben habe. Wenn man den Menschen aus der Türkei signalisiert hätte, dass die Musik in Deutschland spiele und sie sich hier einbringen sollten, gäbe es nicht so viele Erdogan-Wähler, meinte er. Dass seine eigene grüne Partei mit allen Kräften verhindert hat, dass Türken und anderen Einwanderern wirkliche Integrationsbemühungen abverlangt werden, erwähnte er natürlich nicht. Er appellierte an alle demokratischen Parteien in Deutschland, „dass man das Spiel nicht mehr mitmacht, dass man einerseits den Demokraten gibt und dann andererseits ultranationalistische, fundamentalistische Positionen unterstützt“.

Es ist bezeichnend, dass sich ein deutscher Landwirtschaftsminister (der angesichts der existenzbedrohenden Lage vieler Bauern eigentlich genug Probleme zu bewältigen hätte und dessen alleiniges politisches Augenmerk Deutschland gelten sollte!), so wortreich und leidenschaftlich auf die Wahlen in der Heimat seiner Vorfahren eingeht. Man ist es hier zwar längst gewohnt, dass ausländische Belange lange vor den Interessen der schwindenden einheimischen Bevölkerung kommen – sei es beim Ausverkauf der eigenen Sicherheit und der Dauerveruntreuung deutscher Steuergelder an die Ukraine, sei es die Klima-Entwicklungshilfe, sei es die anhaltende “Flüchtlings”-Aufnahme oder die Sorge um Flutopfer in Pakistan und neuerdings in der Türkei, aber nicht um die im Ahrtal.

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