Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung. Das ist das Thema des neu und schwammig gefassten Paragraphen 188 Strafgesetzbuch. StGB. Dieser enthält einen Satz, der wirklich entlarvend ist hinsichtlich der Frage, wofür sich die abgehobene Blase selbst hält.

Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.“, heißt es da. Entlarvend ist dieser Satz gleich unter mehreren Aspekten. Denn einmal unterstellt, daß das politische Leben des Volkes tatsächlich nur bis zur kommunalen Ebene reicht:

  • Wozu dann noch Landtags- und Bundestagswahlen?
  • Wozu dann noch Nachrichten zur Außenpolitik?
  • Wieso “politisches Leben des Volkes” statt “politisches Leben des Souveräns”?

Hieß es denn nicht immer, der Staat, das seien “wir alle”? Müssten dann nicht auch “wir alle gemeinsam” die “Personen des politischen Lebens” sein? Es gilt doch sonst immer, daß “wir alle gemeinsam” alles mögliche sind. “Wir müssen, wir brauchen & wir dürfen nicht” schließlich auch immer alles “gemeinsam“. Und zwar ständig.

Der Putschversuch des Gesetzgebers

Offensichtlich hält sich die sogenannte politische Klasse ganz allein für “Personen des politischen Lebens“. Unterstellt, daß dem so ist – und die Neufassung des Paragraphen 188 StGB gibt eine solche Unterstellung her -, stellt sich natürlich die Frage, wen man da überhaupt noch beleidigen könnte. Die vollendete Beleidigung setzt schließlich die Beleidigungsfähigkeit des angeblich Beleidigten voraus. Eine Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung einer Person. Die Strafnorm schützt die persönliche Ehre. Das heißt zwingend, daß jemand ehrenvoll sein muß, ehe er überhaupt beleidigt werden kann. Wo nichts ist, kann auch nichts geschützt werden. Noch nicht einmal mit einer Strafnorm. Daß es praktisch anders läuft, stimmt zwar, aber mit dem Strafrecht läßt sich die Logik nicht außer Kraft setzen. Der Stellvertreter, der seinen Chef mehrmals angelogen hat, dürfte kaum noch über jene Ehrenhaftigkeit verfügen, derentwegen er beleidigt werden könnte. Kein guter Chef kann sich einen ehrlosen Stellvertreter leisten, zumal dann nicht, wenn der Stellvertreter auch noch ruchlos Firmenvermögen verschleudert für allerlei Kokolores, den er sich eingebildet hat in seiner gräßlichen Unehrenhaftigkeit.

Der Chef kündigt ihn fristlos mit den Worten: “Du kannst dir ja mal ein paar Idioten suchen, die sich von dir anlügen und beklauen lassen, Stellvertreter. Bei mir kommst du damit nicht durch.” Für ehrlose Stellvertreter gelten normalerweise keine vier Jahre Kündigungsfrist. Was normal ist, scheint sich der Gesetzgeber also nicht überlegt zu haben, als der Paragraph 188 StGB neu gefasst wurde. Das wiederum speist den Verdacht, daß er sich wohl selber für nicht mehr ganz normal hält. Ehrlose Stellvertreter, die sich schon selbst nicht mehr für ganz normal halten, braucht aber kein Souverän. Die “Personen des politischen Lebens”, die tatsächlich beleidigungsfähig wären, sind wahrscheinlich eine kleine Minderheit. Besser hätte man den Paragraphen 188 daher wohl bei den “Minderheitsrechten” einsortiert. Und die Faktenchecker, die irre unabhängigen, könnten ja einmal mit einer ihrer berüchtigten “Wie”-Fragen der Sache auf den Zahn fühlen: Wie beleidigungsfähig sind die Personen des politischen Lebens?

Einige Überlegungen

Zur “üblen Nachrede” hätte meinereiner auch noch eine Frage. Ist es denkbar, daß man einem Übelredner übel nachreden kann? Wenn man getreulich das Übel nachredet, das der Übelredner geredet hat, vielleicht? Oder wäre es genau andersherum, will fragen: Hätte man einem Übelredner übel nachgeredet, wenn man behauptet hätte, er sei ein ganz Gewiefter und außerdem ein brillanter Rhetoriker? Über jemanden zu lügen, müsste eigentlich “üble Nachrede” sein. Ja, oder nicht? Auch wenn mein politisches Leben nur noch bis zur kommunalen Ebene hinreicht, – wenn ich behaupten würde, daß Robert Habeck eine wirtschaftspolitische Koryphäe von weltgeschichtlicher Einmaligkeit ist, ein Wirtschaftsvirtuose, um den “wir alle gemeinsam” von der ganzen Welt beneidet werden -, wäre das dann “üble Nachrede“? Gelogen hätte ich schließlich über den Herrn Habeck. Rechtlich hätte ich ihn mit einer solchen Lobhudelei eigentlich “verleumdet“. Der Paragraph 188 richtet sich aber nicht nur gegen die schier denkunmögliche Beleidigung von “Personen des politischen Lebens” und die “üble Nachrede” ihnen gegenüber, sondern auch gegen die “Verleumdung” dieser Individuen. Wenn man sich überlegt, welche Lobhudeleien auf Robert Habeck und Annalena Baerbock schon zu lesen gewesen waren im Presse-Mainstream, dann müssten die Pressefritz:innen wegen des neugefassten Paragraph 188 eigentlich allesamt mit Verleumdungsklagen überzogen werden. Hat man diesbezüglich schon irgendwelche Meldungen vernommen? – Nicht? Wie’s wohl kommt?

Jedenfalls ist es wohl so, daß Sie bei der nächsten Landtagswahl oder der nächsten Bundestagswahl wählen gehen sollen, obwohl Ihr “politisches Leben” eigentlich nur bis hin zur kommunalen Ebene reicht. Na ja, Sie werden wohl eine Wahlkabine an Ihrem Wohnort aufsuchen. Wahrscheinlich ist es das, was gemeint war mit der “kommunalen Ebene”, bis zu welcher Ihr “politisches Leben” im Paragraph 188 StGB reicht: Sie wählen an Ihrem Wohnort. Dennoch komme ich an dem Verdacht nicht vorbei, daß der Gesetzgeber bei der Neufassung des Paragraphen 188 StGB an eine “Enthauptung des Souveräns“(siehe Beitragsbild) gedacht haben könnte. Da wäre es direkt interessant, zu wissen, ob irgendwo ein Porträt von Ludwig XVI. in der Nähe des Gesetzgebers an der Wand hing, als er sich ans Werk machte mit dem Seufzer: “Ach, der Paragraph 188…”.

Quelle: https://ansage.org/grausam-die-enthauptung-des-souveraens/