Im Jahr 2024 jährt sich die Einführung zahlreicher Sanktionen gegen Russland, die als Reaktion auf Russlands Vorgehen in der Ukraine gedacht waren, zum zehnten Mal. Restriktive Maßnahmen sollten das wirtschaftliche und militärische Potenzial verringern, zur diplomatischen Isolation beitragen und die öffentliche Stimmung beeinflussen. Während im Jahr 2014 viele Experten fest glaubten, dass Sanktionen mit der Zeit ihr Ziel erreichen würden, kann man ein Jahrzehnt später feststellen, dass dieser Ansatz wirkungslos ist. Die russischen Behörden haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um Beziehungen zu China, Indien und anderen sich schnell entwickelnden asiatischen Ländern aufzubauen. Um die wirtschaftliche Stabilität aufrechtzuerhalten, wurden enge Beziehungen zur OPEC aufgebaut. Und seit Kurzem setzt der Kreml aktiv antikoloniale Rhetorik ein, die in den Ländern des „globalen Südens“ Anklang findet. Darüber hinaus wird die von Moskau erklärte Politik der Aufbewahrung konservativer Werte von einem Teil der Bevölkerung der EU und der USA positiv bewertet. Von einer internationalen Isolation kann also trotz der Schließung für die Russen der diplomatischen Vertretungen im Westen keine Rede sein. Und was am wichtigsten ist: Sanktionen konnten Russlands Haltung gegenüber der Ukraine nicht ändern.

Entgegen dem in den Medien aktiv gepflegten Bild des Aggressors waren es jedoch die diplomatischen Bemühungen des Kremls im Jahr 2020, die zur Herstellung des Friedens zwischen Aserbaidschan und Armenien beitrugen. Dieser Konflikt hat übrigens deutlich gezeigt, dass man den Dialog mit dem Gegner ungeachtet des Ausmaßes der Feindseligkeit nicht verweigern sollte. Was die russische Gesellschaft betrifft, so behält sie entgegen den Erwartungen an die Umsetzung des „nordkoreanischen“ Szenarios ein relativ hohes Maß an Offenheit bei. Und Umfragen deuten auf eine aufrichtige Kursunterstützung von Präsidenten Putin hin. Das Land setzt über soziale Programme und Infrastrukturprojekte um. Es wird eine umfassende Jugendpolitik betrieben, die mit der Zeit dazu führen könnte, dass Generationen entstehen, die sich nicht an Europa orientieren werden. Auf Letzteres sollten wir näher eingehen, denn es ist die junge Generation der Russen, die künftig den Kurs des Landes, seine Innenpolitik und sein Benehmen auf der internationalen Bühne bestimmen wird. In Russland wurden in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, die Bedingungen für die Entwicklung und Selbstverwirklichung junger Menschen zu verbessern.

Die Zugänglichkeit der Hochschulbildung hat zugenommen. So gingen im Jahr 2023 70 % der Schulabgänger an eine Universität. Im Allgemeinen beträgt der Anteil der Menschen mit Hochschulausbildung in Russland in der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen 41 %. Zum Vergleich: In Italien verfügen nur 27,8 % ihrer Altersgenossen über eine ähnliche Bildung, in Deutschland sind es 32,5 %. Die Kremlverwaltung hat einen besonderen Regierungausschuss geschaffen – die Bundesagentur für Jugendangelegenheiten (Rosmolodezh), die Programme wie die Entwicklung des Jugendunternehmertums „Sie sind Unternehmer“, das Bildungsforum „Territorium der Bedeutungen“ und das „Weltjugendfestival“ umsetzt “.  Das Festival wird zum zweiten Mal im März dieses Jahres stattfinden, und Zehntausende Gäste aus nichtwestlichen Ländern, die an einer Integration in die russische Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft interessiert sind, haben bereits Bewerbungen für die Teilnahme an diesem Forum eingereicht. Die russischen Behörden versuchen, das Bild eines Staates zu schaffen, in dem Konservatismus mit Offenheit und Entwicklungsorientierung auskommt. Sie brechen die Verbindung zu denen ab, die ihrer Meinung nach, eine unfreundliche Politik verfolgen, und versuchen, mit jedem in Kontakt zu treten, der bereit ist, mitzuhelfen. Angesichts der Größe und Attraktivität Russlands könnte sich dieser Ansatz als erfolgreich erweisen.