Die Rechten zogen als klare Favoriten in die Wahl. Ihr Sieg bringt Italien einen harten Rechtsruck – mit ungewissen Folgen für Europa.Ein Bündnis um die rechtsradikale Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) hat laut Hochrechnungen die Wahl in Italien gewonnen. Die Allianz, der auch die rechtspopulistische Lega und die konservative Forza Italia angehören dürfte den ersten veröffentlichten Daten zufolge sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus eine absolute Mehrheit der Sitze erreichen.

Als Chefin der stärksten Partei könnte Giorgia Meloni somit die künftige Regierung als erste Ministerpräsidentin Italiens anführen.Melonis Fratelli d’Italia erhielten nach Berechnungen des Senders Rai 24,6 Prozent der Stimmen für den Senat und verbesserten das Ergebnis von 2018 erheblich (4,3). Die Koalitionspartner rutschten in der Wählergunst dagegen deutlich ab: Die rechtspopulistische Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini kam den Hochrechnungen zufolge auf 8,5 Prozent (2018: 17,6), die konservative Forza Italia (FI) des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi kam auf 8,0 Prozent (2018: 14,4).Das Rechtsbündnis würde damit insgesamt 43,3 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Das Mitte-Links-Bündnis der Partita Democratico (PD) und der 5-Sterne-Bewegung käme demnach auf 25,4 Prozent.

Nach Berechnungen des Fernsehsenders RAI wird das Rechtsbündnis zwischen 227 und 257 der 400 Sitze des italienischen Parlaments und 111 bis 131 Sitze der 200 Senatssitze erringen.Bei der Wahl am Sonntag waren mehr als 50 Millionen Italienerinnen und Italiener aufgerufen, sowohl Parteien und Kandidaten für das Abgeordnetenhaus als auch für den Senat zu wählen. Die Stimmen für den Senat wurden zuerst ausgezählt, weswegen dafür zuerst Hochrechnungen vorlagen.Sorgen wegen Rechtsruck in ItalienDie Fratelli d’Italia waren die einzige nennenswerte Opposition der Vielparteienregierung unter Führung des international höchst anerkannten Ministerpräsidenten Mario Draghi. Die Partei vertritt nationalistische, EU-kritische und teils rassistische Positionen.

Im Logo führen die 2012 gegründeten Fratelli d’Italia eine Flamme, die an den faschistischen Diktator Benito Mussolini erinnert und die ein Symbol der Rechten ist. In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten sorgen sich viele vor einer Regierung mit den Fratelli und Meloni an der Spitze. Meloni hat den Faschismus nie gänzlich verurteilt. Daneben äußert sich die Parteichefin immer wieder kritisch zur EU und lehnt progressive Rechte wie jener zur Adoption für homosexuelle Partner ab.

«Lasst uns gemeinsam Geschichte schreiben», hatte Meloni am Morgen getwittert. Auch ihre Verbündeten setzten am Sonntag wie schon tags zuvor in den sozialen Netzwerken etliche Wahlbotschaften ab. Sie ignorierten damit eine Vorgabe, auf derartige Äußerungen am Vortag und am Tag der Wahl zu verzichten. Die Lega etwa veröffentlichte einige beleidigende Tweets über ihre politischen Gegner.Rechte europäische Politiker beglückwünschen MeloniPolitiker der deutschen AfD, des rechtsnationalen Rassemblement National aus Frankreich und der polnischen PiS gratulierten Meloni zum Wahlsieg. «Wir jubeln mit Italien!», schrieb die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch am späten Sonntagabend bei Twitter. Ihr Parteikollege Malte Kaufmann twitterte: «Ein guter Tag für Italien – ein guter Tag für Europa.» Mit Verweis auf die jüngsten Wahlen in Schweden, bei denen ebenfalls die Rechte erfolgreich war, schrieb von Storch: «Schweden im Norden, Italien im Süden: Linke Regierungen sind so was von von gestern.»Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter «Glückwunsch Giogia Meloni».

Der französische Europaabgeordnete Jordan Bardella von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) schrieb bei Twitter, dass die Italiener der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen «eine Lektion in Demut» erteilt hätten. Die deutsche Politikerin hatte vorige Woche gesagt, dass ihre Behörde «Werkzeuge» habe, sollte Italien unter einer rechten Regierung die EU-Regeln nicht beachten. «Keine Bedrohung jeglicher Art kann die Demokratie aufhalten», schrieb der Parteivorsitzende von RN. «Die Völker Europas erheben ihre Häupter und nehmen ihr Schicksal wieder in die Hand.»Geringe WahlbeteiligungDie Wahlbeteiligung war dieses Jahr gering. Bevor kurz nach 23 Uhr die ersten Prognosen und dann Hochrechnungen bekanntgegeben wurden, teilte das Innenministerium eine vorläufige Wahlbeteiligung mit. Um 19 Uhr hatten demnach nur rund 51 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Bei den Wahlen im Jahr 2018 waren es zu dem Zeitpunkt rund 59 Prozent gewesen. Dabei hatte Italien damals am Ende mit knapp 73 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung seiner Nachkriegszeit registriert.

Experten prognostizierten dieses Mal eine noch niedrigere Wahlbeteiligung von sogar unter 70 Prozent.Besonders schwach war der Zulauf in diesem Jahr laut der Auswertung im Süden des Landes in den Regionen Kalabrien, Apulien, Kampanien und Basilikata sowie auf den Inseln Sizilien und Sardinien mit teils deutlich unter 40 Prozent.Viele Bürger sind nach dem Sturz der Regierung Draghi frustriert und fühlen sich von keiner Partei vertreten. Die Links- und Zentrumsparteien bekämpften sich im Wahlkampf gegeneinander, statt geschlossen gegen den rechten Block aufzutreten.Schlangen vor Wahllokalen sorgen für FrustDennoch kam es vor manchen Wahllokalen zu Schlangen, was teilweise für Empörung sorgte. Dies lag auch daran, dass von den zwei ausgefüllten Stimmzetteln – je einen für das Abgeordnetenhaus und eine für den Senat – ein Streifen sorgfältig abgerissen werden musste, bevor sie in die Wahlurne kamen. Dieses zusätzliche Prozedere zur Bekämpfung von Wahlbetrug verzögerte den Vorgang. «Ich habe noch nie so eine Schlange gesehen», sagte Forza-Italia-Chef Berlusconi.Seit der Parlamentswahl im März 2018 gab es drei Regierungen in Italien. Planmäßig sollte erst Anfang 2023 ein neues Parlament gewählt werden. Der frühere EZB-Chef Draghi war Anfang 2021 an die Spitze der Regierung berufen worden. Die Fünf-Sterne-Bewegung entzog Draghi im Juli bei einem Gesetzesvorhaben das Vertrauen, woraufhin er zurücktrat. Draghi bleibt aber geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung vereidigt ist – das kann etliche Wochen dauern.

Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_100057906/italien-radikale-rechte-siegen-bei-parlamentswahl.html