Artikel von Zeit.de

«Völlig unangemessen»: Mehrere Politiker stehen in der Kritik, weil sie an einem russischen Empfang teilgenommen hatten. Unter den Gästen war auch Gerhard Schröder.

Gerhard Schröder steht erneut wegen seiner engen Verbindungen nach Russland in der Kritik. Der Altkanzler nahm am Dienstag an einem Empfang in der russischen Botschaft zur Feier des Sieges über Deutschland im Zweiten Weltkrieg vor 78 Jahren teil, wie seine Frau So-yeon Schröder-Kim dem Spiegel bestätigte.

Mit dabei waren nach Angaben der Berliner Zeitung unter anderem der frühere SED-Generalsekretär Egon Krenz, der Linken-Bundestagsabgeordnete und frühere Parteichef Klaus Ernst sowie AfD-Chef Tino Chrupalla und sein Vorgänger Alexander Gauland. Zahlreiche andere Politiker boykottierten die Veranstaltung demnach wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Die Bundesregierung wollte sich zur Teilnahme deutscher Politiker an dem Empfang nicht äußern. Man sehe keinen Anlass dies zu kommentieren, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die Fraktionschefs von SPD, FDP und Grünen waren nach Angaben ihrer Fraktionen nicht eingeladen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, sagte, Schröders Teilnahme lasse sie «voller Unverständnis zurück.»

FDP-Fraktionschef Christian Dürr kritisierte die Teilnahme der deutschen Politiker. «Russland begeht seit über einem Jahr schwere Kriegsverbrechen in der Ukraine. Jeden Tag sterben dort Menschen durch Raketenangriffe», sagte Dürr. «Es ist völlig unangemessen, ein Fest der russischen Botschaft zu besuchen, und ich finde es gut, dass die Botschafter der westlichen Länder hier ein klares Zeichen gesetzt haben.» Es wundere ihn nicht, dass das Vertreter der AfD nicht interessiere. «Aber von der Linkspartei hätte ich mehr erwartet», fügte Dürr hinzu.

Ernst und Chrupalla verteidigen Teilnahme

Ernst verteidigte seine Teilnahme. Er sei «trotz der komplizierten Situation wegen des Krieges» gekommen, weil «Russland entscheidenden Anteil an der Niederwerfung des Faschismus» gehabt habe, sagte er der Berliner Zeitung. Ernst, der den Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie leitet, hatte vor wenigen Wochen ein Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Russland gefordert, «weil sie im Ergebnis gegen die eigene Bevölkerung und gegen die eigene Industrie gerichtet sind».

Auch Chrupalla wies Kritik an seiner Teilnahme zurück. Der 9. Mai sei bis vor kurzem ein Gedenktag gewesen, «an dem deutsche Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien selbstverständlich teilnahmen», sagte der AfD-Politiker. «Diesen Dialog sollte man in Krisenzeiten nicht abreißen lassen.» Aussöhnung sei gerade an solchen historisch bedeutsamen Tagen wichtig. «Dabei war es mir wichtig, die deutsche Sicht auf Geschichte und Gegenwart selbstbewusst darzulegen», sagte Chrupalla.

Zu dem Empfang waren nach Angaben der Botschaft unter anderem Vertreter von GUS-Mitgliedstaaten und «freundlicher Länder» Asiens und Afrikas sowie Veteranen, Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche und der deutschen Öffentlichkeit gekommen.

Während die westlichen Siegermächte des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai gedenken, hatte die Sowjetunion und später ihre Nachfolgestaaten den Sieg jeweils am 9. Mai gefeiert.

Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-05/gerhard-schroeder-russische-botschaft-afd-sed