311 Deutsche konnten von der Bundeswehr aus dem Sudan ausgeflogen werden. Viele Menschen versuchen, sich auf dem Landweg nach Port Sudan durchzuschlagen. Hunderttausende haben noch nicht einmal diese Chance. Der EU-Außenbeaufragte befürchtet „Schockwellen in ganz Afrika“.

Mehr als 1000 EU-Bürger sind von Spezialeinheiten aus dem Sudan ausgeflogen worden. Das ist immerhin mehr als die Hälfte der Europäer, die sich bei Kriegsbeginn in dem riesigen Land aufgehalten haben, das flächenmäßig knapp viermal so groß ist wie Deutschland. Und es ist die erste positive Nachricht in diesem Konflikt zwischen Armee und der lange an der Macht beteiligten Miliz „Rapid Support Forces“ (RSF), für den kaum ein Beobachter ein absehbares Ende erwartet. Beide haben mit je rund 100.000 Kämpfern eine ähnliche Truppenstärke.

311 Deutsche konnten gerettet werden – über 1000 Soldaten der Bundeswehr waren an der dramatischen Mission beteiligt. Sie erfolgte von Jordanien aus mit drei A400M-Militärtransportern. Es standen zudem Fallschirmjäger bereit, nachdem am Mittwoch ein erster Versuch wegen der Gefechte abgebrochen werden musste. Auf einer im Vorfeld der Evakuierung angefertigten Krisenliste waren 335 Namen verzeichnet, es ist also davon auszugehen, dass die meisten Deutschen den Sudan verlassen konnten.

Mit letzter Sicherheit lässt sich das allerdings nicht sagen. Es ist unklar, wie viele Deutsche versucht haben, über den Landweg die Hafenstadt Port Sudan zu erreichen. Rund 20 Prozent der Deutschen im Sudan befanden wahrscheinlich in ländlichen Gegenden. Die Kommunikation mit ihnen war besonders in den vergangenen Tagen nur bedingt möglich. Vielerorts wurde der Diesel zum Betrieb der Stromgeneratoren knapp. Und seit Samstag ist auch das Internet eingeschränkt, was damit zu tun haben dürfte, dass die RSF das sudanesische Staatsfernsehen erobert hat. Es sendet per Internet, die Armee will eine Verbreitung der auffällig professionell gestalteten RSF-Propaganda vermeiden.

Wer zurückbleibt, den begleitet die Todesangst der vergangenen zehn Tage weiter. Die „BBC“ berichtete am Montag, es seien weiterhin 4000 Briten im Sudan. Auch die USA konzentrierte sich am Wochenende auf seine Diplomaten und ließen vorerst Tausende Amerikaner zurück. Viele von ihnen befanden sich in den Konvois, die am Wochenende den 800 Kilometer weiten Landweg in Richtung Port Sudan riskierten. Auch Frankreich setzt seine Evakuierungsmaßnahmen fort.

Noch komplizierter gestaltet sich die Situation Hunderttausender, die aus anderen afrikanischen Ländern stammen. Flüchtlinge, Migranten, dazu Absolventen der teilweise renommierten Universitäten. Auf Twitter trendete der Hashtag #NigeriansinSudan, alleine 4000 Studenten des einwohnerreichsten Landes Afrikas stecken weiter in Khartum fest. Nigerias Regierung teilte mit, dass die einzige Möglichkeit eine Rettung über Land sei.

„Unsere Situation ist besonders schwierig, weil die Zahl so groß ist“, sagte Außenminister Geoffrey Onyeama. Man bemühe sich, um Genehmigungen und Begleitschutz von der sudanesischen Militärregierung zu erlangen. Seine Regierung habe allerdings Informationen erhalten, denen zufolge Äthiopien flüchtenden Nigerianern den Grenzübertritt verweigert habe. Südafrika vermeldete, die Evakuierung von 77 seiner Staatsbürger habe begonnen.

Die Zeit eilt, denn die Weltgesundheitsorganisation zählt inzwischen mehr als 400 Tote und Tausende Verletzte im Land. Am Montag endete eine dreitägige Waffenruhe im Sudan. Augenzeugen berichteten am Mittag, dass die Kämpfe zumindest nicht die Intensität der vergangenen Woche erreichten, als zwei Waffenstillstände gescheitert waren.

Eine militärische Lösung gebe es für diesen Krieg nicht, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die Botschaft an die Konfliktparteien sei, dass sie „den Krieg stoppen, die Waffen zum Schweigen bringen, anfangen zu reden und nach einer politischen Lösung suchen“ müssten, sagte Borrell, der die erfolgreiche Evakuierung von 21 Diplomaten der EU-Vertretung in Khartum mit französischer Hilfe vermeldete.

Man müsse weiter auf eine politische Lösung dringen. „Wir können es uns nicht leisten, dass ein bevölkerungsreiches Land wie der Sudan zusammenbricht, weil das in ganz Afrika Schockwellen auslösen würde“, betonte der EU-Außenbeauftragte.

Drittgrößte Land des Kontinents

Der Sudan hat 45 Millionen Einwohner und ist flächenmäßig das drittgrößte Land des Kontinents. Er liegt am Rande der zunehmend instabilen Sahelzone, hat Grenzen zu Krisenstaaten wie dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik. Geopolitisch ist auch die Lage am Roten Meer relevant. Russland versucht seit Jahren, in der sudanesischen Hafenstadt Port Sudan einen Militärstützpunkt zu errichten.

Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn mahnte an, die lokale Bevölkerung nicht zu vergessen. Was in dem Land passiere, sei eine große Katastrophe, sagte er vor einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. „Denken wir auch an die Menschen, die nicht evakuiert werden können, die im Sudan leben.“

Zehntausende sind in den Tschad geflüchtet, nach Angaben der Nachrichtenagentur „AP“ stauten sich auch am Übergang Arkin an der ägyptischen Grenze 30 Busse mit mehr als 1500 Menschen. Doch Transportmöglichkeiten sind rar – und so teuer geworden, dass sie für viele Sudanesen ohnehin unerschwinglich sind.

Quelle: https://www.welt.de/politik/ausland/article244977952/Krieg-im-Sudan-Wer-zurueckbleibt-den-begleitet-Todesangst.html