Die Taliban zwingen die Bundesregierung zu Notlösungen bei Entwicklungsprojekten. Einige Vorhaben werden aus einem umstrittenen Büro in der Luxusmetropole Dubai organisiert. Andere Initiativen könnten aufgrund der jüngsten Ankündigungen der Islamisten platzen.

Die Bundesregierung stellt ihre Entwicklungshilfeprojekte für Afghanistan auf den Prüfstand. Der Grund: Die Machthaber der Taliban haben entschieden, dass Afghaninnen ab sofort nicht mehr mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten dürfen – für die Bundesregierung eine rote Linie.

„Wir stimmen uns mit dem Auswärtigen Amt und mit den internationalen Partnern eng ab, was das in der Praxis heißt – in den einzelnen Regionen und den einzelnen Bereichen unseres Engagements“, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) WELT AM SONNTAG. Die neuen Beschäftigungsverbote für Frauen seien „inakzeptabel und unbegreiflich“. Das BMZ verfolge den Grundsatz „mit Frauen für Frauen“. Es würden keine Projekte gefördert, in denen Frauen durch Männer ersetzt würden.

Bereits im Dezember hatte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kurzzeitig alle Projekte ausgesetzt, da die Taliban Frauen ein Arbeitsverbot erteilt hatten. Im Februar wurden die Vorhaben unter der Bedingung wieder aufgenommen, dass Frauen geduldet würden.

Die Machtergreifung der Taliban im August 2021 hat die Arbeit deutscher Entwicklungshelfer deutlich erschwert. Die für das BMZ tätige Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), ein bundeseigenes Unternehmen, beschäftigt nur noch rund 250 Ortskräfte in dem Land. Diese berichteten in der Vergangenheit von massiven Einflussnahmeversuchen und Einschüchterungen der Taliban. Rund 50 Mitarbeiter der GIZ arbeiteten zuletzt von einem Büro in Dubai aus, um Projekte „per Fernsteuerung“ umzusetzen.

Kenner der Entwicklungszusammenarbeit äußern hinter vorgehaltener Hand Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Standorts. Eine mit der Arbeit der GIZ in Afghanistan vertraute Person spricht von einer fragwürdigen Verwendung öffentlicher Gelder, die „vielen bei der GIZ bewusst“ sei. Es stelle sich die Frage, warum die Arbeit in einer Luxusmetropole wie Dubai koordiniert werde und nicht von bestehenden Büros in Deutschland aus. Rund 5,5, Millionen Euro kostete der Standort Dubai 2022 wie die GIZ auf Anfrage dieser Zeitung mitteilte. Darin enthalten seien Personalkosten, Mieten, Reisekosten und Auslandspauschalen.

Aufnahmeprogramm von Scharia-Richtern missbraucht?

Man behalte sich abhängig von den politischen Entwicklungen zwar vor, Personal von Dubai nach Deutschland zu verlegen, was ständig überprüft werde. Zurzeit hält die GIZ das Büro aber noch für unerlässlich. Seit der Machtübernahme der Taliban sei Afghanistan aus Sicherheitsgründen als dauerhafter Dienstort nicht mehr möglich, und auch Dienstreisen in das Land könnten aktuell nicht stattfinden. Die Entscheidung für Dubai als Standort habe man unter anderem aufgrund der geografischen Nähe zu Afghanistan, Visabestimmungen und der Zeitzone getroffen, so eine GIZ-Sprecherin. Der Zeitunterschied zwischen Deutschland und Afghanistan beträgt zweieinhalb Stunden.

Quelle: https://www.welt.de/politik/ausland/article244698066/Nach-Taliban-Machtergreifung-Probleme-bei-deutscher-Hilfe-fuer-Afghanistan.html